Dokumentation über die Polizeiüberfälle am 5.3.75
zur übersicht: 40 jahre ssb - projektarchiv
Dokumentation über die Polizeiüberfälle am 5.3.75
Herausgegeben von:
Georg-von-Rauch-Haus
Thommy-Weisbecker-Haus
Schöneberger Jugendarbeiter- und Schülerzentrum
(seiten 18-27:)
Polizeiüberfall auf das Thommy-Weisbecker Haus
Etwa 3 Hundertschaften Bereitschaftspolizei, 3 Wasserwerfer, Hundestaffeln und Spezialeinheiten standen vor dem Haus. Mit entsicherten Maschinenpistolen und Pistolen besetzten die Polizei die vier Etagen unseres Hauses. Nach alter Manier wurden wieder einmal nicht unsere Schlüssel benutzt, sondern Türen mit Brecheisen und Äxten aufgebrochen. Im Fotolabor wurden ohne sichtlichen Grund Geräte zerstört. - Das von den Jugendlichen der Umgebung selbstverwaltete Jugendzentrum wurde total verwüstet. Das Mobilar wurde durcheinander geworfen, zum Teil kaputtgeschlagen und volle Müllsäcke darüber gestreut. In der ersten Etage wurden 3 jugendliche Hausbewohner aus dem Schlaf gerissen und aus den Hochbetten geworfen. Im zweiten Stock nahmen Jugendliche angeblich eine drohende Haltung ein. Diese bestand darin, daß sie schliefen, und die dreimalige Aufforderung, die Zimmer zu verlassen nicht hörten. Das reichte, um z e h n Tränengaspatronen in ein Schlafzimmer zu werfen und einen herausstolpernden Jugendlichen mit der Pistole auf den Kopf niederzuschlagen. Während Polizisten uns gruppenweise in Räumen zusammenpferchten, durchwühlten andere Trupps die Zimmer, zerschlugen Mobilar, kippten Farbeimer um und zertraten Fensterscheiben. Als um 5 Uhr das Wüten zu Ende war, notierten wir 25 zerschlagene Fensterscheiben, demolierte Türen und Fensterrahmen, 3 zertretene Plattenspieler, 2 demolierte Waschmaschinen, ein Fernseher, ein Radio, ein Kassettenrekorder, 2 Spiegel, 1 Autobatterie wurden mutwillig zerschlagen und 20 Jugendliche wurden festgenommen. Gegen jedes Gesetz wurden ca. 30 Aktenordner, eine elektrische Schreibmaschine und private Post beschlagnahmt, ohne uns eine Liste der mitgenommenen Gegenstände auszuhändigen. Wer sich auf seine gesetzlich garantierten Rechte berufen wollte, wurde mit einer Maschinenpistole an die Wand gedrängt. Wer erinnert da sich nicht an die Methoden der GESTAPO in der Nazizeit? Die ganze Sinnlosigkeit des Polizeieinsatzes wird deutlich, wenn man bedenkt, daß unser Haus seit der Entführung von der Polizei bewacht wurde, ihr also klar sein mußte, daß wir in keinem Zusammenhang mit der Entführung stehen konnten.
WARUM DENN DIESER POLIZEITERROR??
Seit mehreren Jahren versucht die Polizei erfolglos, im Untergrund arbeitende Stadtguerillagruppen zu zerschlagen. Ein erneutes Beispiel ihrer Ohnmacht war die Entführung von Peter Lorenz. Zwei Stunden nach der Entlassung von Lorenz versuchte die Polizei durch massive Terroreinsätze gegen Jugendzentren, Wohnkollektive und fortschrittliche Arbeiter den Eindruck zu erwecken, sie sei Herr der Lage. Es wurde jedoch weder bei uns noch irgendwo sonst belastendes Material gefunden. Der Polizeieinsatz war für viele von uns ein Schock, aber solche Aktionen werden uns nicht daran hindern,unser Jugendzentrum weiter aufzubauen, jugendlichen Trebegängern ein Zuhause zu bieten und jugendlichen Arbeitern, Lehrlingen und Schülern ein kollektives Zusammenleben zu ermöglichen.
Kommen Sie einfach mal ins Haus und reden Sie mit uns!
WIR MACHEN WEITER!
Am 21.9.74 wurde in der Kreuzberger Bezirksverordneten-Versammlung (BVV) eine Beschlußempfehlung, unser Haus an die Arbeiterwohlfahrt (AWO) zu vermieten, angenommen. Die AWO will unserem Haus eine Beratungs- und Betreuungsstelle für Ausländer einrichten. Wir halten es für vollkommen sinnlos, in unserem Haus eine Beratungsstelle einzurichten, weil in unserer Umgebung kaum Ausländer wohnen, sondern fast nur deutsche Familien in teureren, kleineren Neubauwohnungen, die für kinderreiche Gastarbeiterfamilien nicht in Frage kommen.
Darum sollte die AWO in der Umgebung des Kottbusser Tors versuchen, ein Haus zu mieten, weil dort ähnliche Häuser wie unseres leer stehen, unter anderem auch ein seit über 3 Jahren leerstehender Neubau am Mariannenplatz. Die AWO müßte außerdem mindestens 150.000 DM Steuergelder für den Umbau unseres Hauses investieren. Es spricht also nichts dafür, unser Haus in einen anderen Bezirk zu verlegen. Gerade in solchen Bezirken wie Kreuzberg erfüllt unser Wohnkollektiv eine wichtige Funktion, da wir gerade Kreuzberger Jugendlichen aus kaputten Familien eine Alternative bieten. Wir haben ein Jugendzentrum aufgebaut, das von Jugendlichen aus der Umgebung selbst verwaltet wird. Zu den Nachbarn haben wir in den letzten 2 Jahren Kontakte bekommen (Kinderfeste, Eltern- Spielplatzinitiative, Jugendzentrum); deshalb ist die Argumentation vom Bezirksamt Kreuzberg (Beck), wir würden die Sozialstruktur gefährden, schwachsinnig. Wir sehen in der versuchten Vermietung unseres Hauses an die AWO einen klaren Versuch des Bezirksamtes, unser Wohnkollektiv kaputt zu machen. In den letzten 2 Jahren haben sie ebenfalls versucht, Jugendzentren und Jugendheime zu zerschlagen (Putte, SJSZ, Rauch-Haus). Am 27.2.1975 wurde auf Anfrage der CDU der Vermietung unseres Hauses an die AWO zugestimmt, das heißt:
Sobald uns in einem anderen Bezirk Wohnräume zur Verfügung gestellt werden, werden wir innerhalb von 4 Monaten gekündigt. Wir fordern darum alle Leute auf, uns zu unterstützen, damit das Bezirksamt es nicht schafft, uns rauszuschmeißen.
Informiert Euch bei uns auf der Öffentlichkeitsgruppe, die jeden Samstag um 16.00 Uhr stattfindet.
Spenden, zur Finanzierung unserer Kampagne auf das Konto der Bank für Gemeinschaft, xxxxxxxxxx (Thomas-Weisbecker-Haus)
veröffentlicht durch:
T ommy W eisbecker H aus
projektarchiv, ssb e.v.
mit hilfe von: chrysantemum
zur übersicht: 40 jahre ssb - projektarchiv